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Pazuzu

Assyrien und Babylonien: Dämonen und ihre Abwehr

I. Das Wesen der Dämonen

I.1 Dämonisierungen

  • Dämonen sind übermenschliche Mächte, die unberechenbar und schädigend, manchmal aber auch fördernde Einwirkungen auf die Menschen haben
  • die Menschen können sie alleine durch Magie bewältigen
  • viele Dämonen sind den Menschen nicht übelgesinnt, besonders, wenn sie die Kräfte der Natur verkörpern
  • der wesentliche Unterschied zwischen Göttern und Dämonen ist der, daß sich die Wohnsitze der Götter, ihre Tempel und andere Stätten der Verehrung, innerhalb von Siedlungsräumen befinden, während die Dämonen an einsamen, wilden Stätten, die der Mensch kaum zu betreten wagt, hausen und somit auch von jeglicher kultischer Verehrung ausgeschlossen sind
  • der Glaube an die Sturmdämonen entstand durch die Wirbelstürme, die wie Schreckgestalten über das Land herfallen und die Städte und Pflanzungen zerstören und die über die Steppe jagenden Brände, die die Herden vernichten und Hungersnöte verursachen
  • Mustabbabbu-Dämon (sababu = glühen, verdorren) verkörpert das Verdorren, die Glut und die Hitze
  • die weißglühende Sommerhitze kann im babylonischen Flachland bis zu 55 Grad betragen
  • dabei verdorren alle Gräser und Kräuter, die nicht an Wasserläufen wachsen
  • der Dämon Dimitu vertritt die unersättlichen, das Land kahlfressenden Heuschreckenschwärme
  • von ihm wird gesagt, daß er aus dem Apšu hervorkomme
  • ein anderer Dämon, der die Pflanzungen vernichtet ist Merhu, das Mutter oder Gerstenkorn
  • der Dämonenglaube hat sich sicherlich auch aus der Furcht vor der Bosheit, der Grausamkeit und dem Sadismus des Menschen entwickelt
  • die Seele eines bösen Menschen wird, nach diesem Glauben, selbst nach dem Tod noch Schaden zufügen können und somit in die Horde der Dämonen eingehen
  • der Traum und die urtümliche Angst vor der Finsternis sind weitere Ursprünge des Dämonismus
  • auch die Organe des Staates, wie Polizei, Spitzel und Aufpasser werden dämonisiert: Späher, Lauerer und Feßler sind die Namen solcher Dämonen
  • Gallu, die Bezeichnung jener Dämonen, die aus der Unterwelt kommen, war ursprünglich der Name bestimmter Polizisten und wurde erst sekundär zum Namen einer Dämonenklasse
  • Rabisu ist ein Kommissar, der auch am Unterweltstor postiert sein kann
  • Isum ist ein Aufseher der Unterweltsstraße
  • genauso ist die gesamte Hierarchie eines Staates auf die Unterwelt übertragen
  • schon weil sich die Aufenthalte der Dämonen außerhalb der Ortschaften befinden, sind sie bedrohlich – ebenso wie die wilden Tiere oder wie Feinde und Fremde
  • das Fremdland ist also dämonisch und unheimlich
  • daher wird der Feind oder Fremde, was oftmals dasselbe ist, dämonisiert, da er die Lebensgemeinschaft bedroht
  • er könnte im Schutz fremder Mächte stehen, mit deren Hilfe er vielleicht in unbekannten und daher unlösbaren Riten die Menschen versucht zu behexen
  • die eingefleischte Angst vor dem Weiblichen, die Tabuisierung und Dämonisierung der Frauen, brachte es mit sich, daß vor allem die Frauen der Fremdvölker (Gutäer, Elamier, Lubäer, Hanigalbatäer, Hurriter und der Nari-Völker im Nordosten) der Besitz gefährlichster zauberischer Kräfte nachgesagt wurde
  • auch viele Dämonen führen fremde Namen, elamische, sutäische oder lullubäische, wie der Dämonenfürst Almu-Almu
  • auch der Name der Kindbett- und Fieberdämonin Lamastu ist fremdartig, vielleicht elamisch oder sutäisch
  • sie wird daher als Fremde gesehen
  • Hexen werden ebenfalls als Fremde angesehen
  • sie gehören dem Schmiedehandwerk an und auch der Schmied ist ursprünglich ein Fremder, da er ständig die Orte wechselt auf der Suche nach Roheisen und Aufträgen
  • die Dichtung vom Pestgott Erra entstand als die Einwohner Babylons gegen ihren König Adad-apal-iddina, der Aramäer war, die Waffen erhoben und von diesem blutig niedergemacht wurden
  • gerade in einer Zeit innerer und äußerer Unruhen sieht sich der Mensch Launen dämonischer Unholde, düsterer und unberechenbarer Gewalten, denen er weder entrinnen noch widerstehen kann, ausgesetzt
  • Erra, der Gott des Verderbens, und sein Dämonengefolge, haben die Herrschaft im Himmel und auf der Erde angetreten, sie wollen Krieg führen und die Menschen umbringen
  • so wird der Einfall fremder Völker und Bürgerkriege ein Vernichtungskampf der Dämonen gegen die Menschen
  • die Götter sind selbst am Kampfgeschehen beteiligt, sie führen selbst die Heere an und strecken in wilder Raserei ihre Feinde nieder
  • z. B. wird die Göttin Istar beschrieben als im Blut der Gefallenen watend oder sich ergötzend an den abgeschlagenen Gliedmaßen und Köpfen
  • dämonisiert und personifiziert werden können auch zauberische Fähigkeiten, wie der ‚Böse Blick‘
  • der böse Blick oder das böse Auge ist die gefährlichste Waffe vieler Dämonen und Hexen
  • es werden dabei viele verschiedenen Arten des ‚Bösen Blicks‘ unterschieden
  • die ursprünglichen Sturm- oder Winddämonen sind wahrscheinlich viele der Krankheitsdämonen, die, wie auch der Teufel im Mittelalter, durch Nase Mund Ohren und After in den Menschen einfahren
  • der eingefahrenen Dämon ist dabei selbst die Krankheit, d. h. ein lebendes Wesen
  • manche Krankheitsdämonen befallen ganz bestimmte Teile des Körpers:
    • der Asakku-Dämon befällt den Menschen am Kopf
    • der Namtaru befällt den Menschen an der Kehle
    • der Utukku befällt den Menschen an seinem Hals
    • der Alu befällt den Menschen an seiner Brust
    • der Totengeist befällt den Menschen an der Leibesmitte
    • der Gallu befällt den Menschen an seiner Hand
  • so kann auch der Name eines Dämons zum Krankheitsnamen werden
  • auf eine bestimmte Krankheit fixiert ist z.B. der Dämon Bel uri (=Herr des Dachbalkens), der die Epilepsie verursacht
  • die gefährdetsten Opfer der Dämonen sind aber die Kleinkinder und Frauen während der Menses und Geburt, aber auch die Braut und der Bräutigam in der Hochzeitsnacht
  • Geburt, Menstruation und Beischlaf verunreinigen den Menschen in höchster Weise und setzen ihn so den Dämonen aus
  • der Dämon Aschmedai begegnet z.B. den Frauen währen der Menstruation

I.2 Abstammung und Charakter

  • Dämonen sind zumeist Geschöpfe des Himmelsgottes Anu, gezeugt mit der Erdgöttin Antu, doch diese Mutterstellung spielt so gut wie keine Rolle
  • manchmal gilt auch Enlil (=der Herr der Winde), der Landesgott, als ihr Vater
  • in älteren, volkstümlicheren Vorstellungen heißt es dagegen, daß Dämonen eltern- und familienlos sind
  • wie uns die Hexenprobe des Königs Naramsin zeigt, besitzen Dämonen im Gegensatz zu Menschen kein Blut
  • bei dieser Hexenprobe wurde der vermeintlichen Hexe ein Schwert in die Seite gestoßen, wenn Blut herauskam, dann war sie rehabilitiert und keine Hexe
  • Dämonen haben auch keine wirklichen Namen, die meisten Dämonennamen sind einzig Eigenschaftsnamen, wie z. B. Pazuzu (=der Packer), Asakku (=der, der den Arm schlägt) oder Hultuppu (= böse schlagend)
  • auf Grund dieser Namenslosigkeit fehlt es den Dämonen im Gegensatz zu den Göttern und Menschen an Individualität
  • man stellt sie sich als anonyme Horde widerwärtiger Kräfte vor
  • dieser vollkommene Mangel an Individualität – geschlechtslos, namenlos, familienlos, körperlos und blutleer, ist auch die Ursache ihrer Gefährlichkeit
  • denn jemanden oder etwas magisch zu bekämpfen, erfordert genaueste Kenntnis seines Namens und seines Wesens
  • der Undefinierbarkeit , der eigentlichen Gestaltlosigkeit bzw. dem schemenhaften Wesen der Dämonen, entsprechen die häufigen Vergleiche mit anderen Wesen, besonders mit Tieren
  • außerdem ist ein besonderes Kennzeichen der Dämonen, ihr Ausstoßen scheußlicher Laute, sie brüllen wie Rinder, blöken wie die Schafe, meckern wie die Ziegen, schreien wie die Esel, bellen wie die Hund oder grunzen wie die Schweine
  • zumeist körperlos und unsichtbar, nehmen Dämonen doch gern furchterregende Gestalten an, die sie auch wechseln können
  • häufig nehmen sie die Gestalt von Tieren an, wie Schlang, Panther oder Löwe, oft sind es aber auch Mischgestalten, wodurch sich die Vielfalt ihrer Kraft und Wildheit anzeigt
  • z.B. Pazuzu (= der Packer) hat den Körper eines Hundes, einen Skorpionschwanz, einen Tierphallus, Vogelfüße und Krallen, eine stumpfe Nase und große glotzende hervorquellende Augen
  • oder die Fieber und Kinbettdämonin Lamastu ist bald ein Mischwesen mit Löwenkopf, Eselsleib und Adlerklauen, geschmeidig wie eine Schlange oder flink wie ein Mungo, bald ist sie mit Flügeln versehen, sie verwandelt sich gerade so, wie es die Situation erfordert
  • Dämonen sind oft in Gruppen zu je dreien oder sieben zusammengefaßt
  • dadurch wird das Unheil, das sie verbreiten den Menschen dreifach oder siebenfach treffen
  • zu der Siebenheit gehören die Bösen Sieben, die Utukku- Dämonen, die sieben Winddämonen und seltener die sieben Lamastu-Dämonen, wobei hier wohl eher die sieben Namen der Dämonin gemeint sind
  • diese Zusammenfassungen und damit Systematisierungen wurden von babylonischen Priestern vorgenommen, die damit eine Dämonologie schafften
  • diese existierte so aber bestimmt nicht in der Vorstellungswelt des Volkes
  • in dieser Dämonologie ist es klar, daß nicht ein einzelner Dämon, sondern die ganze Horde zusammen die Menschen und Tiere überfällt und sie mit Krankheiten schlägt
  • selbst den Himmel, den Herrschaftsbereich der Götter, greifen sie an, verfinstern den Mond und greifen nach der Weltherrschaft
  • wenn am Ende des fünften babylonischen Monats der Mond schwindet, verstärken die Dämonen und Hexen ihr unheilvolles Treiben
  • in diesen Tagen wird das Beschwörungsritual maqlu vollzogen

I.3 Dämonische Stätten

  • die Aufenthalte der Dämone befinden sich außerhalb der menschlichen Siedlungen
  • es sind einsame, unkultivierte Stätten, wie Gebirge, Steppen, Wüsten und besonders in ausgedehnten Sumpflandschaften
  • alle diese Orte, für den Menschen unheimlich zu betreten, führen bereits in die Grenzbezirke der Unterwelt, der eigentliche Aufenthaltsort der Dämonen
  • andere bewohnen den Süßwasserozean, das Grundwasser als, in dem auch viele Urzeitwesen anzutreffen sind
  • von Dämonen wimmelt es außerdem noch in fernen unbewohnten Gebirgen, von welchen z. B. die Böse Sieben herabsteigt, aber auch die Hexen, Weiber der gefährlichen Bergvölker, denen es nicht nur einmal gelungen ist Babylon zu zerstören, kommen von dort
  • und auch die Gallu- Dämonen hausen dort
  • sie treiben sich auch gerne an Quellen, Flüssen und in den Wäldern herum
  • Aufenthaltsort der Dämonen ist auch die Luft als der Raum zwischen Himmel und Erde
  • die Luft und ähnlich die Gebirge sind die Wohnstätten vor allem der Wind- und Sturmdämonen, die bei Windstille unsichtbar sind, aber in Sand- und Wirbelstürmen sichtbar werden
  • zu ihren Tummelplätzen gehören ferner alle verunreinigten Orte, wie Kloaken, Schmutzhaufen und Leichenplätze

II. Die Dämonen

II.1 Die Wind- oder Sturmdämonen

  • zu den ältesten Dämonen in Mesopotamien gehören die Stürme
  • aus ihnen sind eine ganze Reihe anderer Dämonen hervorgegangen
  • im Sommer sind es besonders die Nord- und Westwinde, im Winter die schneidend kalten Nordstürme, die mit elementarer Gewalt – tanzenden Dämonen gleich – Sand und Staub aufwirbeln, die Sonne verfinstern, weiße Nebel- und Wolkenfetzen über Berg und Tal jagen und in orkanartigen Stößen unter Hagel wie ein wütender Dämon auf die Siedlungen der Menschen herabstürzen
  • die Babylonier hielten die Stürme für Geschöpfe der ältesten Götter des Landes
  • ihr Vater ist Anu, der vielleicht selbst einmal ein Luft- und Windgott war
  • genau wie Enlil, der Oberste aller Götter des sumerischen Pantheons, der seinem Namen nach auch ein Gott der Lüfte und Stürme ist
  • der Sturm ist die Verkörperung der zerstörerischen und, im Sinn des Altes Testament, der widergöttlichen Kräfte
  • als Marduk sich zum Kampf gegen Tiamat aufmachte, erschuf er sich sieben Winde, darunter den bösen Wind den Sturmwind und den Sandsturm
  • der Südsturm ist ein geflügelter Dämon und Sprößling des Mondgottes
  • oftmals werden auch sieben schreckliche Stürme zusammengefaßt:
    1. der wütende Südwind
    2. der Usumgallu-Drache, dessen Maul geöffnet ist und auf den niemand loszugehen vermag
    3. ein wütender Panther
    4. furchtbare Gürtelschlange
    5. entsetzlicher Wurm
    6. ein anstürmender, den weder Götter noch Könige besiegen können
    7. ein Sturm, ein böser Wind
  • diese Sieben sind die Boten des Himmelsgottes, aber ihre Wohnstätte ist die Unterwelt
  • sie gehen im Gebirge und in der Steppe umher oder hausen in den Sümpfen
  • ihre Kraft ist so gewaltig, daß sie nicht nur die Menschheit in Angst und Schrecken versetzen, sondern auch die Götter bedrohen
  • zusammen mit dem Sonnengott und der Istar versuchen sie die Weltherrschaft an sich zu reißen
  • durch Beschwörungen und bestimmt Rituale kann jeder König oder Normalsterbliche von den Dämonen gerettet werden

Die Böse und die gute Sieben

  • bei allen orientalischen Völkern kommt der Zahl sieben eine besondere Bedeutung zu, wahrscheinlich deshalb, weil die Mondphasen den Siebenzyklus in der Zeiteinteilung verursachen
  • der Zeitraum von sieben Tagen wurde daher als volle Periode bezeichnet
  • etwas siebenfaches stellt somit etwas Ganzes, Vollkommenes dar
  • die Gruppe der Dämonen, die als Böse Sieben zusammengefaßt ist besteht aus dem bösen Asakku, dem bösen Namtaru, dem bösen Utukku, dem bösen Alu, dem bösen Totengeist Etmmu, dem bösen Gallu und dem bösen Gott Ilu
  • diese Gruppe der Bösen sieben ist oft nicht von den sieben Winddämonen zu trennen, ja sie scheinen weitgehend miteinander identisch
  • wahrscheinlich hat sich die Böse Sieben aus den sieben Sturmwinden entwickelt
  • wie die meisten Dämonen sind auch die Bösen Sieben Ausgeburten des Himmelsgottes und seiner Gemahlin Antu, bzw. der Göttin der Erde
  • ihre Beziehung zu Anu kommt auch darin zum Ausdruck, daß sie die Boten des Himmelsgottes sind
  • andererseits begegnen sie uns auch als Boten des Enlil oder des Namtaru, der wiederum der Bote der Ereskigal ist
  • siehe Anhang Text 1 (Haas, S. 135/36)
  • nach einer Beschwörung gegen die geflügelten Totengeister, die ebenfalls zu einer Gruppe von sieben zusammengefaßt sind, haust die Böse Sieben in der Tiefe des
  • sie sind geschlechtslos, d.h. weder männlich noch weiblich
  • sie greifen Götter und Menschen an und scheinen einst auch den Gott Ea überwunden zu haben:
    „Die Sieben die Feßler Eas“.
    (siehe: Text eines alten Beschwörungsreliefs)
  • wenn sie einen Menschen überfallen, so schlagen sie ihn mit vielfältigen Krankheiten, denn jeder von ihnen nimmt von einem bestimmten Körperteil Besitz
  • blutgierig, den Vampiren gleich, ist die Böse Sieben
  • siehe Anhang Text 2 (Haas, S.137)
  • in Beschwörungen werden Figuren der Bösen Sieben hergestellt
  • siehe Anhang Text 3 (Haas, S. 137)
  • im Gefolge der Bösen Sieben finden wir auch eine elamische Göttin, die Dämonin Narunda, die die Schwester der Sieben genannt wird
  • der Herr und Meister der Bösen Sieben ist der Dämon Almu oder auch Alamu
  • gelegentlich sind sie auch dem Unterweltsgott Nergal zugewiesen
  • in der babylonischen Astrologie wurde die Böse Sieben mit den Plejaden, welche ja auch durch eine siebenköpfige Schlange versinnbildlicht waren, identifiziert
  • der Bösen Sieben steht nun eine Gute Sieben gegenüber
  • es sind die Söhne des Enmesarra oder die sieben Weisen von Eridu
  • auch ihnen ist als Schwester Narunda zur Seite gestellt

II.3 Alu,das körperlose Gespenst

  • ein uralter Winddämon ist der Unhold Alu (= „verheerender Sturm, Unwetter“ nach der ältesten sumerischen Schreibung; „schlecht, böse“ nach der jüngeren sumerischen Schreibung) personifiziert erscheint Alu als ein gesichts- und körperloses Gespenst, daß den Menschen „wie ein Fangnetz niederwirft oder ihn wie ein Gewand umhüllt“. Wie von einem Sturmdämon zu erwarten, so haust auch Alu in den Gebirgen.
    Man nennt ihn auch „Berg-Alu-Dämon“.
    Er verursacht den Menschen Kopferkrankungen, auch die Epilepsie wird gelegentlich zusammen mit ihm genannt.

III.4 Lamaštu, die Kindbettdämonin

  • die Kindbettdämonin Lamastu war so gefürchtet, weil die Kindersterblichkeit auf Grund der gefährlichen Geburt sehr hoch war.
  • Man schützte Mutter und Kind mehr durch Beschwörungsriten und Amulette als durch hygienische Maßnahmen.
  • Schon während der Schwangerschaft, aber auch noch danach, ist die Mutter den Attacken der Dämonen im höchsten Grade ausgesetzt.
  • In den letzten Monaten vor der Entbindung und einige Wochen nach der Geburt ist es der Dämon Pazuzu der Mutter und Kind bedroht
  • Aber noch gefährlicher ist die heimtückische Lamastu, die mit den Dämonen Labasu und Ahhazu eine Dreiheit bildet
  • Auch Lamastu ist die Tochter des Himmelsgottes und der Erdgöttin.
  • insgesamt hat sie sieben Namen, die der Beschwörungspriester alle nennen muß, um sie wirksam bekämpfen zu können:
    1. Lamastu, Tochter des Anu
    2. Schwester der Straßengötter
    3. Schwert, daß den Kopf zerspaltet
    4. die, die Entzündungen hervorruft
    5. die Göttin, deren Antlitz scheußlich ist
    6. Sorgenverursacherin
    7. Ergriffen durch Irnina
  • vergißt der Beschwörungspriester einen Namen, so ist sie nicht endgültig gebannt und fällt mit ihrem vergessenen Namen ihr Opfer an
  • sie hat dabei viele verschiedene Gestalten: sie erscheint als Mischwesen mit Löwenkopf, Eselsleib und Adlerklauen, oder unscheinbar und flink wie eine Schlange oder ein Mungo, oder sie fliegt wie ein Vogel herbei, oder ihre Weichen sind gefleckt wie die eines Leoparden, ihre Scheußliche Visage grün und fahl wie Ton; sie hat Feuer in ihrem Leib und mit Flügeln ist sie versehen
  • außerdem sind ihre Brüste blutbesudelt, lose und wirr hängen ihre Haare vom Schädel herab, sie spritz Schlangengift auf Menschen, Tiere und Pflanzen und der Weg, den sie geht ist von ihrer Abscheulichkeit gezeichnet
  • geht sie einen Weg entlang so hemmt sie jegliches Wachstum, sie reißt Blüten von den Bäumen und schlägt die Früchte zu Boden
  • sie läßt die Vegetation verdorren
  • und bringt Schmerz, Leid, Krankheit und Tod
  • mit Fieber und Schüttelfrost wirft sie den Menschen nieder
  • wollüstig weidet sie sich am Schmerz der Menschen
  • sie zählt die Tage der Schwangeren und ist das Kind frisch geboren, entreißt sie es der Amme und säugt es mit giftiger Milch
  • Menschenfleisch und Menschenblut ist ihre Nahrung
  • unfruchtbar macht sie die Frauen und impotent die Männer
  • sie ist die Manifestation des Bösen schlechthin
  • um sie abzuschrecken gibt es verschiedene Möglichkeiten
  • sie haßt Esel, Schweine oder Pferde, deshalb spielen Haarbüschel dieser Tiere oder auch Schweinefett im Abwehrzauber der Lamastu eine große Rolle
  • die Furcht vor Lamastu war so verbreitet, daß man solche Beschwörungen, sogar im fernen Kleinasien in einer der dortigen altassyrischen Handelskolonien gefunden hat
  • da sie auch in späterer Zeit in hethitischen Texten unter ihrem sumerischen Namen Dimme (=) genannt ist, zeigt sich, daß sie auch von den Hethitern gefürchtet war
  • siehe Anhang Text 4 (Haas, S. 144/45)

III.5 Pazuzu, der Packer

  • Pazuzu, der Packer, war wohl ursprünglich ebenfalls ein Sturmwind, und zwar der von den Gebirgen herabfahrende, verheerende Westwind
  • Dargestellt wird er als Mischwesen mit vier Flügeln, Klauenfüßen, Tatzenhänden, einem Schwanz mit Skorpionstachel, grimmiger Fratze und oft langen nach hinten gebogenen Hörnern
  • zu seinem Gefolge gehören die Westwinde, die er aus der im Westen lokalisierten Unterwelt mitbringt
  • sein Vater ist der sonst kaum bekannte Gott Hanbi (=er beschwört)
  • gegen die Macht des Pazuzu, der wie die Lamastu die Frauen im Kindbett anfällt, schützen Amulette mit der Abbildung des Dämons, so als ob er durch sein häßliches Bild vor sich selbst erschrickt
  • mit Hilfe verschiedener magischer Praktiken konnte er auch zur Bekämpfung von seinesgleichen zu einer Art Hilfsdämon werden
  • auf einem Amulett dargestellt, schütz er vor den Angriffen der Lamastu

III.6 Gallu, der wütende Teufel

  • die Gallu-Dämonen sind geschlechtslose Wesen
  • sie werden ebenfalls zu einer Gruppe von sieben zusammengefaßt
  • wenn sie aus der Unterwelt emporsteigen, verbreiten sie Schrecken, Krankheit und Tod
  • sie streifen in den Städten umher und versperren nachts den heimkehrenden den Weg und töten gnadenlos ihre Opfer
  • in der Zeit Assurbanirpals war Gallu, ähnlich wie in unserem Sprachgebrauch „Teufel“, ein übles Schimpfwort für Gegner
  • so wurde auch ein in Wut geratener Mensch als Gallu-Dämon bezeichnet

III.7 Asakku, das Leichengestirn

  • der Dämon Asakku (=der, der den Arm schlägt) ist die Verkörperung des Todes und der Seuche schlechthin
  • auch er ist ein Geschöpf des Himmelsgottes und der Erdgöttin
  • er tritt ebenfalls in sieben, aber auch in neun Gestalten auf:
    1. Lugaledinna
    2. Latarak
    3. Abgula
    4. Equ
    5. Muhra
    6. Kusu
    7. Silakku
    8. Anunki
    9. Aurunki
  • dieses sind Namen, die teilweise auch Unterweltsgottheiten tragen
  • in Dämonen oder Krankheitsaufzählungen taucht er häufig zusammen mit Namtaru (=der Kälteschauer) und den Totengeistern auf
  • bei den Menschen hat er es besonders auf den Kopf des Menschen abgesehen
  • er dringt in den Körper seines Opfers ein und schlägt dort seine Wohnstätte auf
  • als Krankheitsbezeichnung bedeutet der Dämonenname Asakku in etwa „Auszehrung“
  • um den Asakku-Dämon haben sich mehrere Mythen gebildet, der wichtigste ist der vom Kampf des Gottes Ninurta gegen den Dämon
  • obwohl kultische Verehrung den Göttern vorbehalten war, waren merkwürdigerweise auch Kultschreine für den Dämon an Straßen und Toren angebracht
  • das Sternbild, in dem die Babylonier den Leib des Dämons erkannten, wird das „Leichengestirn“ genannt

III.8 Die Hexen

  • die Angst vor den Hexen, ist eine uralte Angst der Männer vor den Frauen, vor ihrem Wissen um heilkräftige oder tödliche Pflanzen und vor dem Bereich der Menstruation und Geburt
  • in Babylon gab es keine feste Grenze zwischen den gewöhnlichen Frauen und den eigentlichen Hexen, den Kräuterweibern, den Ammen und Hebammen
  • sie alle sollten eine dämonische Macht haben
  • den Beruf der Amme führten oft Hierodulen aus, deren Zaubereien als sehr gefährlich galten
  • der Dämon Pazuzu wurde z.B. von einer solchen „bösartigen Amme“ aufgezogen
  • Hexen sind fast ebenso schreckliche Wesen wie die Dämoninnen selbst, die die negativen Kräfte des Weiblichen verkörpern
  • wie z.B. Lamastu, die Kindermordend ist und Tod und Verderben bringt
  • ähnliche Züge wie sie, tragen die Hexen, die Weiber gefürchteter Fremdvölker: die Gutäerinnen, die Elamiterinnen, die Lullubäerinnen oder die Hurriterinnen und die Weiber der Nairi-Völker
  • das Unwesen der Hexen, ihre geschickten, hinterhältigen Zaubereien, ihre bösartigen Manipulationen, macht sie für den Menschen genauso gefährlich wie die Dämonen
  • nach babylonischer Auffassung besteht zwischen dem Treiben der Dämonen und den selbständig gedachten Verfluchungen, Verleumdungen, Bannsprüche und Hexen kaum ein Unterschied
  • wie die Dämonen sind sie in einer Siebenzahl zusammengefaßt
  • und wie die Dämonen kommen sie aus der Einsamkeit der Gebirge nachts herunter in die Ortschaften
  • sie stehen unter dem Schutz der Göttin Istar, die selbst eine zauberische und dämonische Göttin ist
  • die Göttin, die Dämonin und die Hexen tragen gemeinsame anarchische Züge: Gesetzlosigkeit, Aufruhr und jegliches Chaos ist ihre Leidenschaft
  • sie schrecken die friedlichen Menschen
  • sie rauben den Männern ihre Zeugungskraft und den Frauen ihre Fruchtbarkeit
  • sie stören die Toten auf
  • sie vernichten die Weiden und schlachten das Vieh
  • viele Beschwörungen gegen hexen findet man in dem umfangreichen Beschwörungswerk Maqlu
  • seinen Namen hat das Ritual von dem von ihm besonders angewandten Mittel, Figuren von hexen und Zaubereien durch Feuer, d.h. durch Verbrennen (Maqlu = Verbrennen), zu vernichten
  • siehe Anhang Text 5 (Haas, S. 158)
  • vielfältig sind die Zauberpraktiken der Hexen
  • Wollen sie jemanden behexen, so besorgen sie sich Haare, Speichel, Fingernägel, Kleider und andere Gegenstände, die sich in engster Berührung mit ihm befunden haben
  • denn alle diese dinge sind mit der Persönlichkeit ihres früheren Besitzers, bzw. Trägers behaftet
  • sie sind sozusagen mit seinem „Seelenstoff“ durchdrungen
  • Haare, Nägel, aber auch Knochen sind darüber hinaus die unverweslichen Leichenteile, in denen der Seelenstoff auch noch nach dem Tode verbleibt
  • Hexen ziehen magische Kreise, stellen Figuren, sog. Rachepuppen, von ihren Opfern her und vergraben sie bei einer Leiche
  • durch diesen Analogiezauber ist der Betroffene dann natürlich dem Tod preisgegeben
  • aber es bedeutet noch mehr, da eine Leiche, der Tod selbst als etwas dämonisches empfunden wird ist der Kontakt mit dieser Leiche im höchsten Grade verunreinigend
  • der gleichen Manipulation bedienen sich auch die Beschwörungspriester
  • auch sie benötigen Persönlichkeitsträger ihres Patienten, nämlich Haare Fingernägel Urin oder Schweiß
  • diesen vermischen sie mit Lehm und fertigen daraus eine Figur an, die den Erkrankten darstellen soll
  • die Dämonen werden getäuscht und ergreifen Besitz von der Figur und lassen ihr Opfer in Ruhe

III. Dämonenabwehr

III.1 Die Beschwörungspriester der Stadt Eridu

Eridu, die Stadt des Zaubergottes Enki-Ea und der Beschwörungspriester, ja die Stadt der Beschwörungskünste überhaupt, lag an der Bucht des persischen Golfs und gehört zu den ältesten Städten Südmesopotamiens. Archäologisch läßt sich ihre Gründung mindestens bis 5300 v. Chr. zurückverfolgen.
Nach der Vorstellung der Babylonier gehört Eridu mit vier anderen Städten – Badtibira, Larak, Sippar und Šuruppak – zu den fünf Orten, die schon vor der großen Sintflut existierten. Der Stadtgott von Eridu ist Enki-Ea, der Gott des Südwasserozeans Apsu, der Weisheit, Kunstfertigkeit und demgemäß aller Magie. So wird er zum Beschützer der Zivilisation und Kultur. In dieser Eigenschaft steht ihm Mummu, sein Wesir, ein göttliches Wesen, das die Weisheit verkörpert, zur Seite; ebenso auch die weisen Söhne von Eridu, die weitgehend mit den sieben Söhnen des Gottes Enmešarra identisch sind.
Der Sohn des Enki-Ea ist der Gott mit dem wohl hurritischen Namen Asalluhu. Asalluhi ist aber auch zu einem der sieben Namen des Marduk geworden. Er ist der Beschwörungspriester der Götter; er kennt die Geheimnisse der Dämonen, die er seinem Vater schildert, um dann von ihm die Anweisungen für das geeignete Ritual zu erhalten. Dieser Gott mit dem fremdartigen Namen und seiner fern im Nordosten von Babylonien gelegenen Kultstadt Kuara wurde mit Marduk, dem Stadtgott von Babylon, gleichgesetzt. Auf diese Weise konnte Marduk zum Herrn der Beschwörungspriester werden.
Im Dienste des Gottes Enki-Ea stehen die Beschwörungspriester oder Exorzisten – „die weisen Söhne von Eridu“ – Ašipu oder Mašmašu genannt, deren Amt natürlich aus Eridu stammt.

In ältester Zeit freilich, lange vor der schriftlichen Überlieferung, war das Vertreiben von Dämonen gewiß nicht von einer Priesterklasse, sondern von ungebundenen freien charismatischen Personen und wohl auch noch ohne festgelegten Ritus betrieben worden.
Der Ašipu-Priester war in erster Linie Exorzist, der die Dämonen nicht nur aus dem Körper des Erkrankten verjagte, sondern auch überall dort in Erscheinung trat, wo ihr unheilvolles Wesen zu erwarten war (Einweihung eines Kanals, Hausbau, Herstellung von Götterbildern oder Todesfälle).
Die Beschwörungen der Priester sind in der Regel göttlichen Ursprungs – sie sind zumeist die Beschwörungen des Zaubergottes Enki-Ea bzw. die des Asalluhi.
Diese Annahme, daß Zauberformeln göttlicher Herkunft sind, finden wir sowohl bei den Hethitern, als auch im Alten Ägypten; dort ist Thot, die Gottheit der Weisheit, ebenfalls auch Meister der Beschwörungskunst.

Der babylonische Beschwörungspriester rezitiert nicht nur die göttlichen Formeln , sondern identifiziert sich sogar mit dem Zaubergott Enki-Ea, er ist während seiner gefahrvollen exorzistischen Tätigkeit mit dem Gott geradezu identisch.
Der Beschwörungspriester gleicht auch äußerlich dem Gott; er trägt eine Fischmaske, wodurch er die Fischgestalt des Ea annimmt. Dadurch schützt sich der Priester, irritiert die Dämonen und erschreckt sie zugleich.
Für gewöhnlich aber war die liturgische Tracht des Beschwörungspriesters nicht die Fischmaske, sondern weißes Linnen; das weiße Linnengewand, das in Eridu geweiht war, hatte gewiß durch seine Farbe Symbolkraft, denn weiß ist die Farbe des Feuers, des Lichts und der Sonne und so natürlich auch der Reinheit. Für besondere Fälle seiner exorzistischen Kunst bekleidet sich der Priester auch mit roten Gewändern, denn Rot ist eine dämonische, aber auch apotropäische (böse Geister und Einflüsse abwehrend)Farbe.
Die Notwendigkeit einer „Amtstracht“ ergibt sich aus der Gefährlichkeit der exorzistischen Tätigkeit, denn der Priester tritt in einen direkten Verkehr, ja, unter Umständen sogar in einen erbitterten Kampf mit dem Dämonen.

Vielfältig sind die Riten, die der Priester dem Wüten der schrecklichen Wesen, Dämonen, Totengeister und den Hexen entgegensetzt. Die wichtigste Grundlage ihres Rituals ist die Kenntnis der Wasserriten von Eridu. Das heilige Reinigungswasser wurde in Eridu im Tempel des Ea in einem als Apšu bezeichneten Gefäß aufbewahrt. Wasser ist die materia magica par exellence – es ist das heilige Wasser des Ea.
Die Waschungspriester, Ramku, deren Amt ebenfalls auf Eridu zurückgeführt wird, vollziehen ihre Sühneriten im „Waschungshaus“ Bit rimki. Ähnliche Funktionen erfüllen die Priestergruppen Nisakku und Išippu, deren Beschützer ebenfalls Ea in seiner Erscheinungsform Nunurra ist.

Reinigende Kraft ist den Wassern der Quellen, des Apsu, aber auch dem Flusswasser, wobei besonders das Wasser des Euphrat und des Tigris aber auch anderer Flüsse erwähnt wird, zu eigen. Selbst das Wasser des Meeres besitzt diese Eigenschaft.

Da neben dem Element Wasser auch das Feuer reinigende Kraft besitzt, tritt der Feuergott unter dem Namen Girra, Gibil oder Nusku den Dämonen und Hexen entgegen; seine Aufgabe besteht darin, die Hexenbilder zu verbrennen.
Der Ort der Ritual- bzw. Beschwörungshandlungen dürfte zumeist das Haus des Erkrankten oder Besessenen gewesen sein. Krankheitsdämonen überredet man z.B. von den Körperteilen des Menschen abzulassen und statt dessen die eines bereitgestellten Tieres zu ergreifen.

Es gibt natürlich auch magische Literatur. Über den Umfang dieser Literatur gibt ein babylonischer Leitfaden der „Beschwörungskunst“ Auskunft. Er wurde für den Zweck genutzt, die Klagelieder und Liturgien der Beschwörungskunst in sumerischer und akkadischer Sprache zu erlernen. Dieser Text enthält eine Aufzählung von verschiedenen Werken der Beschwörungskunst, die teils nach ihren Seriennamen, teils nach ihren Anfangsworten zitiert sind. Beschwörungsserien sind Sammlungen verschiedener einzelner Beschwörungen mit jeweils gleicher Intention. Eine so entstandene Serie konnte dann entweder als ganzes ausgeführt oder rezitiert werden, oder nur in Teilen. Die Zaubersprüche enden oft mit ein und derselben Beschwörungsformel. Es dürften also bei entsprechender Gelegenheit nicht nur dieser oder jener Spruch für sich allein rezitiert worden sein, sondern am besten alle zusammen. Die Beschwörungen wurden rhythmisch vorgetragen oder gesungen. Zuweilen wurden die Worte, um ihre Intensität zu erhöhen, mit flüsternder Stimme einem Stier ins rechte Ohr geraunt.

Beschwörungen können aber auch geschrien werden. Das Schreien der Beschwörungen hängt ganz gewiß damit zusammen, daß auch die Dämonen gräßliche Laute ausstoßen.

Da man weniger an eine natürliche Entstehung von Krankheiten glaubte, sondern nur an von Dämonen herbeigerufene, sind die Heilungsmethoden zumeist exorzistisch-aprtropäischer Natur. Dies betrifft naturgemäß in erster Linie Gehirn- Geisteskrankheiten, Epilepsie und Hysterie. Hierin liegt wahrscheinlich auch der Grund, daß unter den in Beschwörungsritualen aufgeführten Erkrankungen oft Kopfkrankheiten, Fieber, Schüttelfrost, Geschrei, usw. erwähnt werden.

III.2 Requisiten und Exorzismen

Außer den mächtigen Beschwörungsworten, zauberischen Tricks und Abwehrformeln stehen dem Beschwörungspriester neben seiner liturgischen Gewandung noch allerlei Requisiten zur Verfügung.
Hierzu gehören neben bestimmten Tieren noch viele andere Gegenstände, z.B. verschiedene Trommeln und Pauken; diese wurden z.B. im Fall einer Mondfinsternis, die wie ein Todeszustand der Himmelskörper und der Natur, einschließlich des Menschen, aufgefaßt wurde, in Wiederbelebungsriten des Mondes und der Natur benutzt.
Diese Instrumente besitzen hohe magische Kräfte und haben deshalb auch reinigende Wirkung; so finden wir unter magischen Gerätschaften, die Verunreinigungen an sich ziehen, bzw. entfernen, die kupferne Kesselpauke. Hohe magische Kräfte besitzt das „Fell des großen Stieres“ Sugugallu. Dieses Fell vermag, wie manche andere Tierfelle auch, Verunreinigungen zu absorbieren. Das „Fell des großen Stieres“ wurde sogar vergöttlicht und mit dem Himmelsgott Anu und der Göttin Nindagud identifiziert. Zu Beginn des Neuen Jahres reinigt man den Tempel in Babylon mit dem Fell eines vorher geköpften Schafes.
Reinigende Kraft dürfte auch das Sühnezicklein Mašhulduppu am Krankenbett gehabt haben.

Abwehrenden Charakter haben auch viele verschiedene pflanzliche Stoffe:

  • Das Holz des Kornelkirschbaumes (Der Beschwörungspriester berührt am Krankenbett das untere Ende des Zweiges mit Feuer und hält das angebrannte Holz über das Haupt des Kranken)
  • Dattelpalme
  • Kiškanu-Baum (Er hat exorzistische Wirkung und wird am Haupt des Kranken aufgestellt)
Eine Art Rute des Beschwörungspriesters ist ein als Hultuppu bezeichnetes Gerät, das zusammen mit den Kornelkirschholz erscheint und auf dem der Name des Gottes Ea geschrieben ist.

In ähnlicher Funktion wie das Kornelkirschholz wird auch ein nicht näher bekannter metallischer Gegenstand, Urudnigkalagu „das starke Kupfer“ genannt, verwendet.
Eine richtige Waffe, die der Priester gegen die Dämonen verwendet, ist eine Art Krummholz oder Bumerang, Gamlu genannt, der aus Kornelkirschholz oder aus dem Holz des Kiškanu-Baumes hergestellt ist. Diese Waffe ist wiederum selbst dämonisiert und ist später als Sternbild auch Deckname für Marduk-Jupiter: Der Stern Gamblu ist „die Waffe in der Hand des Marduk“. In der Hand der Beschwörungspriester schreckt sie Dämonen zurück.

Daß die Kraft, speziell von Götterwaffen, mittels magischer Praktiken gestärkt werden kann, verdeutlicht ein nordsyrisch-ugaritischer Text, wo berichtet wird, wie Kotar, der Gott des Handwerks, die Kriegskeulen des Ba`al mit Zaubersprüchen und Namen versieht.

Darüber hinaus gab es noch eine Unzahl anderer Gerätschaften, wie Götterfiguren und Symbole. So stellte der Widderkopf auf einer Stange den Ea, eine Lanze den Marduk, eine Lampe den Nusku, ein Blitzbündel den Adad und ein Skorpion die Išara dar. Desweiteren gab es Dämonenfiguren, Puppen von Mensch und Tier, Zauberschnüre und vieles mehr. Die wichtigsten sind hier die Apkallu-Figuren der sieben Weisen von Eridu.
Diese sieben Apkallu-Gestalten und ihre sumerischen Namen kannte auch Berossos, der Bel- oder Marduk-Priester von Babylon zur Zeit Alexanders des Großen. Berossos hat ein allerdings nicht mehr vorhandenes Werk, „Die Babyloniaka“. Geschrieben, das aber in Auszügen bei späteren griechischen Schriftstellern auftaucht. Berossos nennt nun in griechischer Wiedergabe sieben solcher Namen, die man mit den sumerischen Namen auf einer aus Warka stammenden Keilschrifttafel vergleichen kann. Die Tafel aus Warka vermerkt, daß die sieben Weisen vor der großen Sintflut gelebt haben:

Warka-Tafel Berossos
U-AN Oannes
U-AN-DU-GA Deuteros Annaedotos
EN-ME-DU-GA Enedokos
EN-ME-GALAM-MA Eneugamos
EN-ME-BULUG-GA Enaubyblos
AN-EN-LIL-DA Anaementos
U-TU-ABZU Anodaphos


Berossos
weiß auch zu berichten, daß die sieben Weisen Mischwesen – halb Fisch, halb Mensch – gewesen sind, die in der Urzeit aus dem Meer emporgestiegen waren, um den Menschen die Kultur zu bringen. Der bekannteste von ihnen ist Oan bzw. Oannes gewesen. Diesen merkwürdigen Gestalten der sieben Weisen, darüber hinaus aber noch einem ganzen Szenario von apotropäischen Götter- und Symbolfiguren, die überall im Hauswesen, in dem die Reinigung vollzogen werden soll, postiert werden, begegnet man in der zweiten Tafel eine Beschwörungsrituals der großen Serie Bit messeri „Haus der Einschließung“. Die Ritualserie „Haus der Einschließung“ dient der Entfernung allen Unheils aus dem Palast. Wahrscheinlich ist der Anlaß der Reinigung die Erkrankung eines Mitglieds der königlichen Familie.

III.3 Urzeitwesen und Abwehrzauber

Marduk vermochte zwar die Urzeitwesen zu überwinden, den Dämonen sind sie jedoch noch immer weit überlegen. Bedient man sich ihrer Hilfe im Beschwörungsritual und stellt Figuren von ihnen an den Hauseingängen auf, so ist man vor bösen Einflüssen geschützt. Daß man jene dämonische Kraft zum Schutze und Nutzen des Menschen einsetzen konnte, war durch den Sieg von Marduk über die Mächte des Chaos ermöglicht.
Der sumerische Stadtfürst von Lagaš, Gudea, ließ Bašmu- und Mušhaššu-Schlangen am Torschloß des Tempels anbringen. Türschlösser wurden auch in Gestalt des Drachen Ušumgallu verfertigt. Zusammen mit den Fischmenschen und wilden Hunden bewacht ein Skorpionmensch einen Eingang des Tempels Enhursagkurkurra in Assur. Agum-Kakrime, der Kassitenkönig von Babylon, ließ die Monster der Tiamat, darunter auch den wütenden Hund, an den Türen des von ihm restaurierten <>Marduktempels Esangila, den Herodot ausführlich beschreibt, darstellen – dort standen auch der Große Löwe und das Ungetüm Lahmu Wache. Fabelwesen im Tempel des Marduk-Bel kannte auch noch Berossos.

Eine Darstellung des wilden urzeitlichen Vogels Anzu hielt die Dämonen und Hexen vom Tempel in Nippur ab.

Ebenso wie zumindest einige der Ungeheuer der Tiamat in das Gefolge ihres Bezwingers Marduk eingingen, so wurde auch jener Vogel Anzu zum Emblem seines Überwinders Ninurta. Neben anderen Wesen bewacht er auch den Tempel des Gottes Nungal.

Als der Assyrerkönig Sanherib die Erneuerung des Tempels in Assur veranlaßte, ließ er unter anderem einen Skorpionmenschen aus Gold, vier Fischmenschen aus Bronze und einige andere Gestalten aufstellen.
Auch geflügelte Stiermenschen – die Schutzdämonen Šedu und Lamassu – wurden in neuassyrischer Zeit an den Eingängen der Paläste aufgestellt.

In Beschwörungsritualen rufen die Priester diese Wesen oftmals an oder bilden sie als Tonfiguren ab, damit ihre Anwesenheit während der zauberischen Handlungen Dämonen abwehren bzw. bezwingen helfe.
Um die Gegenwart der Bašmu-Schlange, die den Dämon vernichten soll, während der Beschwörungshandlungen zu bewirken, werden Figuren derselben hergestellt.
Das Schreiben von Zaubersprüchen auf diesen apotropäischen Figuren ist ein beliebter Brauch.
Die Urzeitwesen benötigt man auch bei zauberischen Handlungen während der Beschwörungen; z. B. während eines Rituals bei dem die Statuetten der sieben Weisen hergestellt werden.
Auf diesem Hintergrund, nämlich der Überwindung der Urzeitgeschöpfe, die allein einem Herrschergott möglich war, sind auch die Schlangen- und Drachenamulette, noch heute im Orient gern getragen, zu verstehen; hieß es doch von solchen Schlangenwesen, daß gegen sie „keine Beschwörung gilt“.

Seine apotropäische Funktion hat das Urzeitwesen, der Fischmensch, im Orient bis heute bewahrt.

III.4 Die Zauberkraft der Amulette

Das Amulett ist ein krafterfüllter Gegenstand, dessen Kraft dort wirkt, wo sich das Amulett befindet. Diese Kraft kann apotropäisch wirken; es vermag aber auch Zwangshandlungen auszuüben, wobei es insbesondere zum Analogiezauber gebraucht wird; es kann ferner die Kraft seines Trägers stärken: die Kraft des Amuletts wird der Kraft des Trägers hinzugefügt; dies gilt sowohl für einen Menschen als auch für einen Gott.

Die Kräfte der Amulette können von den Kräften der Götter, Dämonen und Tiere herrühren, wenn deren Abbilder oder Symbole auf ihnen dargestellt sind; sie können auch in Pflanzen oder Steinen enthalten sein, deren Kräfte in Farben, Gerüchen oder Formen zum Ausdruck kommen.

Im Grunde ist für den im magischen Denken behafteten Menschen auch die Kleidung kraftgeladen, denn auch sie kann kraftsteigernd wirken; dies bezieht sich sowohl auf die Farbe als auch auf das Material. Ist das Gewand aus tierischen Stoffen, so werden die Kräfte des jeweiligen Materials auf den Träger übertragen.
Ähnlich verhält es sich mit der Farbe des Gewandes; rot wirkt dämonenabwehrend; der Farbe wohnen also Kräfte inne. Auch die Tätowierung des Körpers und das Schminken sind magischen Ursprungs. Die Gottheiten Marduk und Ištar schminken sich, um ihre magischen Kräfte zu steigern.
Der ursprüngliche Amulettcharakter des Schmuckes ist heute weitgehend bekannt.

Auch Götter können laut dem Enuma eliš nicht ohne Amulette auskommen: Marduk hält im Kampf gegen Tiamat mit seinen Lippen ein Augenamulett aus roter Paste, um dem bösen Blick zu entgehen; in der Hand hält er ein Zauberkraut, um gegen das Gift der Feindin gefeit zu sein. Als sich Ištar in die Unterwelt begab, mußte sie all ihre Kleider, Gürtel und Schmuck „gemäß den alten Regeln der Unterwelt“ ablegen und erlag nackt, also schutzlos, dem Todesblick der Ereškigal.

Nun zu den verschiedenen Arten von Amuletten:

  • Siegelzylinder: Diese werden mit einer Schnur um den Hals getragen. Auf ihnen sind Götter, schützende Dämonengestalten und die verschiedensten Tiere und Symbole abgebildet. Auch ihre Farbe wird magische Bedeutung gehabt haben. Natürlich dienen diese Siegelzylinder in erster Linie geschäftlichen Zwecken, sie hatten aber durchaus auch Amulettcharakter. Durch diese religiöse Darstellung befand sich der Mensch in ständiger Nähe zu seinem Gott und konnte so schwerlich angegriffen werden.
  • Tieranhänger: Diese Amulettform gehört zu den ältesten Mesopotamiens (4000-3500 v.Chr.). Sie sind aus verschiedenen buntfarbigen Steinen oder aus Muscheln geschnitten. Es handelt sich um Darstellungen von Löwen, Stieren, Schafen, Hasen, Raubvögeln und Vögeln mit Löwenköpfen. Sehr beliebt schien der Fisch zu sein; er wurde damals schon als dämonenabwehrend empfunden. In den Beginn des 2.Jts. datieren Amulette, die Frösche, Kröten und Schildkröten darstellen.
  • Terrakotta-Figuren: Diese tauchten in altbabylonischer Zeit auf. Unter ihnen war der Typ der nackten Göttin – also einer Ištar-Gestalt – besonders verbreitet. Merkwürdigerweise finden sich diese Figürchen auffallend häufig als Grabbeigaben.
  • Sog. Wächterfiguren: Diese wurden vom 13. bis 10. Jh. v. Chr. vielfach zu apotropäischen Zwecken verwendet. Sie stellen Gilgameš und Enkidu, die sieben Weisen aus Eridu, die Zwillinge, die beiden Dumuzi-Gestalten Latarak und den „Honigmann“ dar. Es bestand der Brauch , solche und andere apotropäische Figuren, die z.T. noch mit Resten von blauer, schwarzer und weißer Farbe versehen sind, aber auch andere zauberkräftige Gegenstände in Tempeln, Palästen und Wohnhäusern zu verbergen. Sie wurden an den Toren eingebaut, unter die Fußböden gelegt, in den Ecken der Höfe vergraben oder an anderen Stellen der Gebäude versteckt. Zumeist waren sie in Kästen, aus Ziegelsteinen oder andere Behälter gelegt. Diese Behälter enthielten kleine Götterstatuetten aus Ton, seltener aus Metall, Wächterfiguren männlichen und weiblichen Geschlechts, Vogelgenien, Skorpionsgenien, Fischgenien, Ziegenfische, Stiermenschen, Löwenmenschen, Löwenkentauren, Schlangen, Vögel, stehende und sitzende Hunde, aber auch verschiedene Göttersymbole, wie Mondsichel und Blitzbündel, Miniaturwaffen, wie Schwert und Axt, Haken, Amulettanhänger aus Fritte und Blei, Ringe, Tierskelette, Pflanzenreste und andere apotropäische Gegenstände. Manche der Schutzgeister sind auch mit Inschriften versehen, aus denen der Sinn dieser Figuren eindeutig hervorgeht; z.B. „Bote der Götter, der Leiter, der alle Stürme bezwingt“.
  • Götterfiguren: Sie sind an ihren Hörnermützen zu erkennen und oft in Angriffstellung dargestellt. Sie tragen gewöhnlich ein langes Gewand und einen Gürtel mit Wehrgehängen sowie einen Dolch aus Metall. In der erhobenen rechten schwingen sie ein Kupferschwert, eine Kupferaxt oder eine Keule.
  • Genien: Sie sind gelegentlich mit Gerätschaften, die sie während ritueller Handlungen benötigen – Gefäße, Zweige, Stäbe und Standarten – versehen. Der größte Fund dieser magischen Gerätschaften zum Schutz gegen böse Geister stammt aus Assur aus dem sog. Haus des Beschwörungspriesters. In Hohlräumen aus hochgestellten Ziegeln unter dem Fußboden fand man allein 12 Paare von Tonreliefs, die mit einem dicken weißen Überzug versehen sind, sowie rundplastische Figuren mit schwarzer und roter Farbe bemalt.
  • Pazuzu-Figuren: Diese Anhänger waren weit verbreitet. Sie wurden an Wänden und Türen angebracht, aber auch am Körper getragen und sogar mit ins Grab gegeben. Ein solches Amulett schütze in erster Linie vor dem Dämon selbst; er erschreckt durch seine Fratze auch andere Dämonen. Ein solches Amulett war doppelt wirksam, wenn es auch noch einen mächtigen Zauberspruch enthielt, also ein Komposit-Amulett darstellte.
  • Amulettafeln: Diese enthielten nur das geschriebene Wort. Die Beschwörungstexte sind oft Exzerpte einer bestimmten Sammlung.
  • Hunde: Diese aus Ton gefertigten Tiere werden an der Türschwelle vergraben oder ans Fenster gestellt, um das Eindringen der Dämonin zu verhindern. Verschiedene solcher Hunde hat man in Ninve und Nimrud wiederentdeckt.
  • Amulettdämonenköpfe: z.B. des Pazuru oder des Humbala
  • Erra-Dichtung: Diese Dichtung ist auf Tafeln geschrieben, von der eine, eine Öse zum Aufhängen besitzt. Aus dieser Dichtung werden auch die Amulett-Tafeln gegen den Pestgott Erra abgeleitet, die um den Hals getragen wurden.
  • Neben diesen beschriebenen Amuletten gab es auch solche, die allein durch die Kraft der Materie wirken sollten. Solche Materien sind Steine, Mineralien, aber auch pflanzliche und tierische Substanzen.
  • Amulette fremder Herkunft: Auch diese galten als besonders zauberkräftig. In der untersten Ziegelschicht eine Postaments des Ištar-Tempels in Assur war neben anderen magischen Gerät auch ein hethitisches Amulett aus Lapislazuli eingebaut, das den hethitischen Gott der Flur darstellte.
Seit dem 2. Jt. begegnen im gesamten Bereich Vorderasiens Amulettanhänger, oftmals in Filigrantechnik gearbeitet, die um den Hals getragen wurden. In der Form von Terrakotten wird seit altbabylonischer Zeit die „nackte Göttin“ auch den Toten mit ins Grab gegeben. Oft stellen die Amulette Ištar- und Sonnensymbole oder die Mondsichel dar. Es gab sogar richtige Amulettkettchen, deren berühmtestes aus Dilbat stammt. Es besteht aus sieben Anhängern, nämlich, Sonnenscheibe, Mondsichel, Blitz des Wettergottes, zwei Statuetten fürbittender Göttinnen und zwei Scheiben mit achtstrahligen Sternen.
Echte Fruchtbarkeitsamulette für die Frauen sind diejenigen Anhänger, welche die nackte Göttin darstellen. Bei diesen Figuren sind Brüste, Bauchnaben und Schampartie stets überdeutlich hervorgehoben.
Es gibt sog. Stein-Amulettlisten, von den Alten als Turru „Band“ bezeichnet, denn hier werden Steine und Mineralien aufgeführt, die als Halsketten, also auf einem Band aufgereiht, um den Hals gehängt wurden. Diese Amulette bestehen aus sechs Bändern:

  • Das erste Band dient dazu, „um den Zugriff des Sonnengottes unwirksam zu machen“, „gegen Verstörtheit“
  • Das zweite Band dient dazu, „um seinen Gott und seine Göttin zu versöhnen, für die Palastbeamten, um Gewinn, Überfluß und Reichtum herbeizuführen“.
  • Das dritte Band dient „gegen das Unheil eines schlechten Tages, Monats oder Jahres.“
  • Das vierte Band „um zu bewirken, daß der Gott mit dem Menschen Mitleid habe.“
  • Das fünfte Band „um den Zugriff aller Götter unwirksam zu machen.“
  • Das sechste Band trägt den Vermerk: „Ein Amulett in Hundeform, am Kehlkopf zu tragen, aus Gold, ein weißgefleckter Stein in Goldfassung, ein sahhu-Stein in Goldfassung, vier Jaspisperlen, davon eine in der Form einer Mondsichel.“
  • Bezogen auf alle sechs Bänder der Vermerk: „In Summa sechs Amulette zur Versöhnung von Gula, Šamaš und Ištar.“
In ihrer Wirksamkeit erprobt und bewährt waren Amulette, die von mächtigen und erfolgreichen Menschen getragen wurden.
Magische Steine trug man nicht nur an Halsketten, sondern auch als Ringe.

Aus der Zahl der Amulette, die aus pflanzlichen Materien hergestellt sind, wären die Dattelkernamulette oder das Gurkengott-Amulett zu nennen. Die Kräfte apotropäischer Pflanzen werden in Beschwörungen gelegentlich hervorgehoben.
Bei der Anfertigung von Amuletten ist es erforderlich, Beschwörungen zu rezitieren. Durch diese Rezitationen werden die zu verendenden Materialien gleichsam mit den in den Beschwörungsworten enthaltenen Kräften geladen.

Abwehrenden Charakter können auch Personennamen haben. So könnte der Name Kubu „Foetus“ vor einer als Totengeist umherirrenden Fehlgeburt schützen.

Ein ganz besonders interessantes Amulett, das, wie die Pazuzu-Amulette, die im Zimmer einer Gebärenden aufgehängt gewesen zu sein scheint, ist das Amulett von Arslan Tas, im Tal des Sruj. Es stammt aus dem 7.Jh. v. chr. und enthält eine über die Vorderseite geschriebene kanaanäische Beschwörung gegen die kindermordende Dämonin, die als „die Fliegende“, „die Würgerin des Lammes“ und als Lilith bezeichnet wird. Der Beschwörungstext greift im Aufbau und Form deutlich auf alte babylonische Traditionen zurück, zeigt aber zugleich Elemente, die uns in der späten jüdischen Magie wieder begegnen.

Der Nachhall

Die Dämonen Babylons im Islam und im Christentum

Es ist eine überall wiederkehrende Entwicklung, daß die Götter und Dämonen einer alten Religion in den neuen und benachbarten religiösen Vorstellungen nicht einfach ausgelöscht sind, sondern gerade in der Volksreligion in Erinnerung bleiben. Die großen Götter sinken zu Dämonen herab oder werden mit den alten Dämonen verschmolzen und gewinnen durch einen neuen Namen neue Identität, wobei ihre Eigenschaften weitgehend erhalten bleiben.
Hier haben sich vor allem die Vorstellungen über Ištar erhalten, die mit der Dämonin Lilith (die sich durch die Sagenwelt und durch die apokryphen Schriften des Alten Testaments zieht) verschmolz.

Vor allem aber ragt die Gestalt der Sieben hervor. Die Sieben begegnen in syrischen Zaubertexten als Engel. Sieben Djinn oder Dämonenfürsten gibt es auch in der arabischen Geisterwelt in Ägypten: die sieben werden nach Farben unterschieden. Sieben böse Gestirne, nämlich die sieben dämonischen Söhne der Ruha, spielen in der Religion der Mandäer eine große Rolle. Der Aberglaube des modernen Palästina kennt sieben Dämonenfürsten, eine siebenköpfige Schlange, aber auch gemäß der babylonischen Vorstellung von der Guten Sieben, als gute Geister sieben Engel und sieben Jungfrauen.

Literatur: V. Haas, Magie und Mythen in Babylonien, Gifkendorf, 1986, S. 109ff.
E. Ebeling, Aus dem Tagewerk eines assyrischen Zauberpriesters, MAOG V.3; Leipzig 1931.


Mein Dank an HexeIII